Gedanken einer Rektorin
Sabine Bräuer ist Rektorin der Peter-Rosegger-Grundschule im baden-württembergischen Gärtringen. Sie beschäftigt sich damit, wie unsere Kinder zukünftig lernen werden. Und welches Umfeld wir heute für die optimale Lernlandschaft der Zukunft schaffen müssen. Dabei folgt sie dem Motto „Probieren geht über Studieren“ und setzt heute bereits auf digitale Methoden, um den Unterricht aufzuwerten. In ihrer Schule werden aktuell digitale Whiteboards und Dokumentenkameras von Schülern und Lehrern getestet. Auf Ihrem Besuch der Bildungsleitmesse Learntec erkannte sie u.a., dass man digitale Bildungskonzepte auch digital denken muss.
Bitte lächeln!
… ist die erste Aufforderung des diesjährigen Besuches auf der Learntec 2019. Gespannte Gesichter und erwartungsfreudige Aussteller bereiten den Besuchern einen herzlichen Empfang. Die zweite lautet: Bildung wird digital! Die damit implizit aufgeworfene Fragestellung ist nicht neu: Wie wird Bildung digital? Und für mich speziell, wie können wir (digitale) Bildung in Zukunft digital in unserem Schulsystem implementieren?
Antworten auf diese Fragen versuchen die rund 340 Aussteller und ebenso zahlreiche Sprecher zu geben. Nicht nur die Anzahl der Aussteller, sondern auch die Schar der angereisten Besucher hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht.
In Babyschritten auf zur „Digitalen Schule“
Ich treffe auf vielerlei Konzepte zum Informatikunterricht in Baden-Württemberg. Programmieren mit verschiedenen Oberflächen oder dem Calliope mini sowie Tablet-Projekte finden nun in einigen Schulen ihren Einzug. Von Schülerinnen und Schülern selbst erstellte Erklärvideos und die Arbeit an digitalen Tafeln inbegriffen. Alles für sich spannende Umsetzungen und erste Schritte in Richtung Digitalisierung.
AR-Angebote für ganzheitliches Lernen
Neue Technologien begeistern, so erfahre ich, dass visuell- und auditiv virtuelle Realitäten mittlerweile durch haptische ergänzt werden können. Damit schaffe ich es beispielsweise, virtuell mit einer echten Motorsäge, unterstützt durch eingespielten Ton, einen Baumstamm zu zersägen! Ich freue mich, denn das für uns Pädagogen eingefleischte Prinzip des ganzheitlichen Lernens mit Kopf, Herz und Hand nach Pestalozzi scheint nun also auch im virtuellen Raum angekommen zu sein. Sicherlich finden sich für diese Technologie vielfältige Anwendungsgebiete – auch im Bereich der beruflichen Bildung.
Digitale Helferlein im Schulalltag
Erfüllt von neuen Eindrücken und Umsetzungsideen widme ich mich wieder meiner Ausgangsfrage. Was können mir diese Dinge im täglichen Unterricht nützen und welche digitalen Ergänzungen wünsche ich mir für einen optimalen Unterricht?
Klar, der Pädagogik muss die Technik folgen, und das möglichst komfortabel und minimalaufwendig. Die technische Ausstattung bitte in jedem Unterrichtsraum, eine Bildungscloud mit Austauschmöglichkeiten für alle Lehrer, digitale Schulbücher mit integrierten für Schülerinnen und Schüler motivierenden und hilfreichen Ergänzungen, Lernspielen, Kontroll- und Rückmeldefunktionen einerseits.
Lernen ohne Lehrer?
Unersetzbar bleibt allerdings die Person des Lehrers, die Beziehung zum Kind und der emotionale Bezug zum Bildungsgegenstand. Doch halt! „Bereits jetzt ist erforscht, dass man auch durch technische Hilfsmittel Emotionen erzeugen und lernen kann“, erfahre ich auf einem Vortrag. Ebenso arbeitet man rasant an der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz. Der Pädagoge also als Auslaufmodell? Oh nein. Spätestens jetzt wird es Zeit, die Gedanken im Kopf zu ordnen.
Auf zu neuen Ufern - in 3 Schritten
Digitalisierung ist ein Prozess, der den Schulen nicht von heute auf morgen übergestülpt werden kann. Einzelprojekte liefern kurzfristigen Glanz, der leider mit der Zeit verblasst. Wer aufmerksam mitdenkt, kann mittlerweile drei mögliche Faktoren erkennen, die zur Digitalisierung beitragen können.
Da wäre zunächst die technische Ausstattung der Schulen unter die Lupe zu nehmen. Das Erkennen, Einbeziehen und gegebenenfalls Weiterentwickeln von vorhandenen Strukturen wäre dann die zweite Aufgabe. Schließlich benötigen wir nur noch ein geniales Konzept, das keinen Einzelfall bedient, sondern für eine möglichst flächendeckende Verbreitung taugt!
Altes über Bord werfen
Persönlich klar geworden ist mir, dass ich zunächst meine im Kopf vorhandenen Strukturen aufbrechen sollte, denn alte Strukturen zu „digitalisieren“ käme mir vor, wie eine geflieste Wand neu tapezieren zu wollen. Bildlich gesprochen: Zuerst müssen die Fliesen weg, der neue Wandbelag bleibt unbekannt.
Die Aufgabenstellung scheint sich somit im Vergleich zur Ausgangslage signifikant geändert zu haben. Digitale Bildung implementieren? Vielleicht geht eher darum, Bildung mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten neu zu erkunden, zu erforschen und zu denken.
Kurs auf Digitalisierung
Eine große Aufgabe liegt also vor uns. Gelingen wird sie nur, wenn alle an der Bildung beteiligten Personen und Institutionen zusammenarbeiten. Politiker, Kommunen, Eltern, Lehrer und auch Schüler selbst. Vielleicht werden wir zur Learntec 2020 einige Schritte weitergekommen sein? Ich bin gespannt und freue mich darauf. So atme ich noch einmal tief die Messeluft ein und denke mir: Bitte lächeln!
Beitragsbild: © 2019 Enrico Sommerweiß
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