Arten aktiver Bürgerbeteiligung
Welche Verfahren zur Bürgerbeteiligung gibt es? Bewährte Methoden und innovative Ansätze für Formate, die die aktive Partizipation fördern, beschreiben wir hier.
Unsere Welt wird immer digitaler. Auch Kommunen und Städte spüren, dass die Bürger*innen sich weitere Online-Angebote wünschen. So etwa auch bei Beteiligungsverfahren. Warum es sich lohnt, eine digitale Lösung dafür einzuführen und was hinderlich sein könnte, haben wir in diesem Beitrag zusammengetragen.
Das Internet hat die Lebensrealitäten der Menschen nachhaltig verändert. 14- bis 49-Jährige verbringen täglich mehrere Stunden mit der Nutzung von Online-Angeboten und in sozialen Netzwerken. Kommunalpolitik muss die Bürger*innen dort abholen, wo sie sich aufhalten. Digitale Angebote sind aus der aktuellen politischen Entscheidungsfindung auf Gemeindeebene nicht mehr wegzudenken. Als Grundlage und als erster Schritt gilt für Organisationen, aber auch für Städte und Gemeinden, eine virtuelle Sichtbarkeit zu gewährleisten, um wahrgenommen zu werden. Facebook, Twitter und Co. gehören zum Standard der öffentlichen Kommunikation. Sie können zwar traditionelle Kanäle wie Zeitungen, Zeitschriften, Radio oder Außenplakatierung nicht ersetzen, aber sie ergänzen das Angebot. Ein institutioneller Account ist für Kommunalverwaltungen und das Stadtmarketing ein Symbol der Kommunikationsbereitschaft und Transparenz.
Eine breite Beteiligung der Bürgerschaft und ihr Einbezug in den politischen Dialog sichert eine qualitative Aufwertung kommunaler Mitbestimmung und garantiert eine Identifikation der Menschen vor Ort mit ihren Institutionen und Vertretern, ist also realisierte Bürgernähe. Unter einer breiten Beteiligung wird allerdings keine rein quantitative Vergrößerung der Basis verstanden, sondern die Abbildung aller relevanten Interessen, Meinungen und Ideen. An die Stelle der Vielzahl tritt die Vielfalt des kommunalen Lebens. Wer seine Bürger*innen zu einer Mitwirkung motivieren und aktiv in die Entscheidungsprozesse integrieren kann, stärkt die Akzeptanz für die Demokratie. Das Ziel ist die Ausweitung der Beteiligung und des Dialogs auf Gruppen, die der politischen Kultur fernstehen. Auf diese Weise ist es möglich eine soziale Schieflage der Kommunikation mit den Bürger*innen zu verhindern und frühzeitig Konfliktpotentiale zu identifizieren. Statt auf Unzufriedenheiten zu reagieren, kann durch die Einführung von Elementen der direkten Demokratie mit unterschiedlichen Interessen interagiert werden. Im Ideal führt dies zu sozialem Zusammenhalt und kreativen Problemlösungen.
Gerade digitale Angebote und Online-Auftritte haben das Potential, demographische und soziale Schichten und Gruppen anzusprechen, die einer klassischen Kommunikation und Präsenzangeboten kritisch gegenüberstehen. Dies kann unterschiedlichste Ursachen haben, wie Sprachbarrieren, demographische Gründe, kulturelle Vorbehalte, politisch-ideologische Distanzen oder rhetorische Probleme. Online-Angebote können diese Beteiligungsbarrieren verringern. Der Zugang zu Kommunikationskanälen wird direkter, schneller und unmittelbarer. Die Meinungsäußerung auf einer Ideenplattform im Internet zu einem aktuellen Thema aus der direkten Lebenserfahrung kann bequem von zu Hause aus bewerkstelligt werden - ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist.
Im Gegensatz zu einer verbalen Kommunikation, die gerade bei umstrittenen und emotionsbeladenen Aktionen oft entgleisen kann, bieten digitale Kanäle den Vorteil einer räumlichen Distanz und der Notwendigkeit, die Äußerungen in schriftliche Formate zu überführen. Daher können Online-Angebote an einer Strukturierung und Qualitätsverbesserung des Diskurses mitwirken.
Die Nutzung von digitalen Angeboten ist an die Erfüllung bestimmter Nutzungsvoraussetzungen gebunden. Die Interessenten müssen über einen Mindeststandard an technischen Kenntnissen und einen Internetzugang verfügen. Wie die Phänomene Homeoffice und Homeschooling in den letzten Monaten bewiesen haben, tragen Digitalangebote das Risiko, Menschen mit niedrigem Bildungsstand und Einkommen zu distanzieren. Statistische Auswertungen haben bei älteren Menschen und Bürger*innen mit Migrationshintergrund eine deutlich geringere Bereitschaft ergeben als zum Beispiel bei jüngeren Zielgruppen und Menschen mit einem höheren Bildungshintergrund.
Vorteile und Nachteile digitaler Partizipation liegen häufig eng beieinander. Die Schnelligkeit des Mediums und eine Herabsetzung der Hemmschwellen durch eine Anonymisierung bergen immer auch die Gefahr eines Abgleitens des Diskurses in Diffamierungen und Bedrohungen, gerade weil die Menschen direkt in ihrem Lebensumfeld betroffen sind.
Die Kommunikation bei Foren und Ideenplattformen sollte durch Moderator*innen begleitet werden, wofür aber auch Ressourcen zur Verfügung stehen müssen. Diese können dann hilfreich eingreifen, wenn beispielsweise eine Frage aufkommt, die es von zentraler Stelle (etwa der Verwaltung) zu beantworten gilt. Auch bei entstehenden Diskussionen kann ein*e Moderator*in zur Seite stehen. Und auch wenn ein Nutzer die Plattform-Regeln verletzt und beispielsweise Hassrede benutzt, macht eine Moderation Sinn.
Formate von Online-Beteiligungsverfahren sind offen und können nur schwer standardisiert werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Aufgabenstellung und ihrer Ausgangslage. Die Dauer und die Zielgruppenorientierung sind extrem unterschiedlich. Auch unterschieden sie sich in Bezug auf die beabsichtigte bürgerliche Einflussnahme auf die Realentscheidungen der Politik.
Die Kosten digitaler Bürgerbeteiligung müssen nicht hoch sein. Das Tool COIN bietet beispielsweise eine kostenlose Basic-Version. Das Medium Internet ist ein Sofort-Medium, das heißt Nutzer erwarten eine simultane Reaktion. Ein Online-Angebot, das nur alle zwei Wochen aktualisiert wird, verfehlt seine Bestimmung. Es bedarf einer klaren Reglung der Zuständigkeiten und der personellen Ressourcen, um eine angemessene Betreuung sicherzustellen.
Den Kosten stehen die Potentiale einer gelungenen Online-Kommunikation mit den Bürger*innen gegenüber. Gerade bei Entscheidungen zur Gemeinde-/Stadtentwicklung, Großprojekten und Entscheidungen im Umweltbereich, die zu den sensibelsten Sektoren gehören, können digitale Formate zu einer entscheidenden Erhöhung von Akzeptanz und einer beachtlichen Steigerung der Effektivität von Kommunalverwaltung beitragen. Eine funktionierende digitale Mitwirkung erkennt Konfliktfelder, trägt zu deren Entschärfung bei und verringert auf diese Weise die Gefahr von Fehlentscheidungen, die erhebliche Verzögerungen, Kostensteigerungen und Proteste auslösen können. Digitale Angebote sind sinnvolle und bedarfsgerechte Präventionsmaßnahmen.
Aus der Vielzahl gelungener Online-Beteiligungen soll hier kurz auf drei Beispiele verwiesen werden, welche die Möglichkeiten für kommunale Entscheidungsträger aufzeigen. Im Jahr 2007 führte der Berliner Senat einen Online Ideenwettbewerb zur zukünftigen Gestaltung des Flughafens Tempelhof durch, der geschlossen wurde. Über 1.400 Bürger*innen diskutierten mit und brachten sich mit Nutzungsvorschlägen ein. In Aalen ist seit dem Jahr 1994 ein Geodatenportal eingerichtet, das unter anderem mit einer 3D-Modellierung bei der Entscheidungsfindung über den Standort von Windkraftanlagen eingesetzt wurde. In Schwäbisch-Gmünd konnte ein Konflikt um die Errichtung einer Freizeitanlage für Jugendliche mithilfe eines Bürgerforums deeskaliert werden.
Ideen, die aus der gesamten Bürgerschaft kommen, sind unbezahlbar für die Lokalpolitik. Mit digitalen Angeboten gelingt dies, denn sie bilden den Querschnitt der Bürgermeinungen und -erfahrungen ab – und zwar zeitpunktgenau. Sie schaffen einen transparenten und ausgeglichenen Diskurs und beugen möglichen Konflikten vor. Außerdem sparen sie Zeit, Geld und Aufwand. Wenn es gelingt, auch Personen zu erreichen, die digitalen Lösungen bisher eher fernbleiben, und den Dialog bestenfalls zu moderieren, so steht dem Erfolg der Online-Bürgerbeteiligung nichts im Wege.
Die professionelle Gestaltung und die Wahl der entsprechenden Formate der E-Partizipation sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen digitalen Bürgerbeteiligung. Wie dies mit der Software COIN gelingt, erfährst Du in unserer Webinaraufzeichnung.
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